Warum so viele alles negativ sehen
Von der Seele reden
09.05.2025
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de
Warum sehen so Viele alles negativ?
Den meisten von uns geht es wirtschaftlich sehr viel besser als den Menschen in allen anderen europäischen Staaten, in der Welt ohnedies. Wir haben eine Inflation unter 3%. Wer krank wird, bekommt flächendeckend eine kompetente Versorgung. Wir verfügen über ein kostenloses Bildungssystem, das seinesgleichen sucht. Über 95% aller Tötungsdelikte werden bei uns aufgeklärt. Der Wohlfahrtsstaat steht in der Kritik, aber er bietet Schutz für viele. Jede und jeder kann seine Freiheitsvorstellungen bei uns ausleben. Und doch wird an allem herumgenörgelt. Allzu viele fürchten gar eine „Zukunft als Katastrophe“.
Woher kommen diese Wahrnehmungsverluste? Die Demokratie ist grundsätzlich zukunftsorientiert. Wenn wir nun aber glauben, keine bessere Zukunft zu haben, geht ihr „Spielsinn“ verloren. Hier setzen Populist/innen und Autoritäre an und versprechen wahlweise eine „echte“ oder „illiberale“, also eine hart durchgreifende Demokratie, die Verlusterfahrungen verlagern will. Sie betreiben laut des Berliner Soziologen und Kulturwissenschaftlers Andreas Reckwitz eine „verlustbezogene Politik“, die mit Verlustidentitäten und Verlustaffekten arbeitet, und verfolgen eine politische Strategie des „Zurück-zu“ und der Inszenierung der Unzufriedenen als Opfer. „Make America great again!“ und der Brexit-Slogan „Take back control“ gehören in diese Reihe.
Sicher werden auch im 21. Jahrhundert Einschnitte passieren, wir müssen also mit Negativem rechnen. Es muss aber deutlicher werden, dass wir dafür Vorsorge treffen und immer wieder vor Augen halten, welche fantastischen Privilegien alle Menschen bei uns in Anspruch nehmen dürfen, vergleicht man unser Leben mit dem in den anderen Teilen der Welt oder mit dem Leben in der Geschichte. Überdies muss Politik anders kommunizieren. Die Menschen müssen verstehen, was da abläuft. Darum müssen auch komplexe Sachverhalte in Geschichten erzählt werden.
Ich wünsche Ihnen eine sinn-volle zukünftige Woche, aber bitte bleiben Sie achtsam.