Friedrich Merz und der Sozialstaat
Von der Seele reden
11.09.2025
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de
Friedrich Merz und unser Sozialstaat
Der Sozialstaat sei «nicht mehr finanzierbar», sagt der deutsche Kanzler Friedrich Merz. Doch die SPD bremst seinen Reformeifer. Bundessozialministerin Bärbel Bas (SPD) hatte darauf mit scharfer Wortwahl reagiert. Sie beklagte: »Jetzt kommt so ein Zungenschlag rein, dass die Wirtschaft nicht läuft, weil die Sozialsysteme zu teuer sind. Das sehe ich nicht so«, unterstrich die Ministerin.
Bei meinem letzten Besuch in Indien hatte ich ein Gespräch mit einem sehr hohen Vertreter der indischen Regierung, der sich wunderte, warum Deutschland immer noch eine erfolgreichere Wirtschaftsmacht sei als Indien: „Ihr habt doch nur ein Fleckchen Erde und nur 84 Millionen Menschen, wir 1,4 Milliarden. Was macht ihr anders und besser als wir?“ Als Erstes sagte ich: „Wir sind pünktlich und so berechenbarer als ihr. Pünktlichkeit ist ja nicht Euer Ding.“ Aber als eine weitere Grundvoraussetzung für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg habe ich unseren Sozialstaat genannt. „Wir sorgen dafür, dass auch die, die krank sind oder keine Arbeit finden, sozial abgesichert sind. Wir kennen kaum Streiks. In Frankreich kämpfen Menschen schon seit Jahrzehnten in den Vorstädten um ihre Rechte. Eine Gesellschaft muss solidarisch sein.“ „Ja, sagte mein Gesprächspartner, das leuchtet mir ein, aber ein solches System muss man sich leisten können. Da hilft es sicher, dass ihr nur 84 Millionen seid.“
Unser Sozialstaat ist nicht per se zu teuer, aber seine Finanzierung ist eine Dauerherausforderung, die durch die alternde Gesellschaft, steigende Kranken- und Pflegekosten, sowie die Rentensysteme belastet wird. Kritiker weisen darauf hin, dass der Sozialstaat teuer sei, aber Statistiken zeigen, dass Deutschland im internationalen Vergleich für seine umfassende soziale Absicherung einen angemessenen Preis zahlt.
Diesen deutschen Erfolgsfaktor will Merz jetzt kaputtsparen, nicht überraschend, wenn man weiß, dass er zum Mittelstand und den „kleinen Leuten“ überhaupt keinen Draht hat. Black Rock lässt grüßen. Da ging es viele Jahre für Merz nur um die Superreichen und deren Interessen. Wer in unserem Land Streiks und Straßenkämpfe riskieren will, der muss wissen, dass Arbeitskämpfe und eine fehlende soziale Absicherung gerade die Wirtschaft lähmt. Manchmal sollte man Herrn Merz an das C in seinem Parteinamen erinnern. Liebe und Solidarität, das Zueinanderhalten in schwierigen Situationen, sind die christlichen Werte an sich. Nur das WIR, nicht das ICH, machen das Christentum aus.
Ich wünsche Ihnen eine Woche in gegenseitigem Verständnis, und bleiben Sie achtsam, wenn daran gerüttelt wird.