Oh Gott, ich klinge wie meine Mutter!
11.06.2025
Sobald Eltern in Stress verfallen, imitieren sie häufig die Verhaltensweise ihrer Eltern. Jahr-zehntelang haben Kinder solche Sprüche gehört: „Es wird gegessen, was... „ sie wissen selbst, wie dieser Satz weitergeht. Oder: „Solange du deine Füße...“ auch hier ist das Ende des Satzes bekannt. Noch einer: „Wer schön sein will...“
Selbst antiautoritär erziehenden Eltern rutscht in einem Stressmoment schon mal die Hand aus, obwohl sie sich geschworen haben, dass sie das bei den eigenen Kindern nie tun würden.
Als meine Tante nach Jahrzehnten aus Canada zu Besuch kam, sah sie mich und prustete los: „Oh God, he looks like his Father!“ Und ich sehe nicht nur aus wie mein Dad, ich ahme Verhaltensweisen nach. Im Stress, unreflektiert wie gesagt. Wenn wir zu Besuch waren und mein alter Herr meinte, es sei jetzt genug, ging er wortlos zur Garderobe und zog die Jacke an. Als ich das meinen Kindern erzählte, meinten sie nur trocken: Genauso machst Du das auch, Vadder.
Hilfe, ich werde wie meine Eltern war dann auch der Print-Artikel, der mir die meisten Leser-briefe ever eingebracht hat. Offensichtlich geht es nicht mir alleine so.
Was also tun? Darüber nachdenken, was mir in meiner Erziehung gutgetan und was mir geschadet hat. Das so verinnerlichen, dass es in Stresssituationen abrufbar ist. Und, vielleicht am allerwichtigsten: Wenn ich mit meinem Kind umgehe, das Kind in mir zu Wort kommen lassen. Dann ergibt sich ein Dialog auf Augenhöhe. Aber: auch immer Vater, Mutter sein und nicht Freund oder Freundin. Solche haben sie genug – Eltern aber nur einmal.