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Das Gewissen Südafrikas ist tot

26.12.2021

„Als die ersten Missionare nach Afrika kamen, besaßen sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf zu beten. Und wir schlossen die Augen. Als wir sie wieder öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Wir hatten die Bibel und sie das Land.“ Desmond Tutu, der Verfasser dieses Zitats, wuchs im Land der verkehrten Verhältnisse auf. Die Apartheid hatte Südafrika fest im Griff. Und diese hat ihn geprägt. Weil er als Schwarzer weder Arzt werden konnte noch als Lehrer gleichwertig mit Weißen unterrichten durfte, wich er schließlich auf die Theologie aus. Als anglikanischer Erzbischof geißelte er die Rassentrennung als unmoralisch und unvereinbar mit dem Wort Gottes. Tutu blieb der Botschaft des gewaltfreien Jesus treu: den African National Congress, der mit Gewalt gegen die Apartheit vorging, kritisierte er stets scharf. Des-halb galt er vielen farbigen Südafrikanern als Nestbeschmutzer. Mit Nelson Mandela wurde ihm 1984 der Friedensnobelpreis verliehen. Tutu und Mandela galten als die Architekten des neuen Südafrika. Es passt zur Biografie des streitbaren Geistlichen, dass der 1995 den Vorsitz der Wahrheits- und Versöhnungskommission übernahm. Hier ging es nicht in erster Linie um die Bestrafung der Täter des Apartheidregimes, sondern um Aufklärung und Versöhnung zwischen Opfern und Tätern. Es mag bezeichnend sein, dass Desmond Tutu gestern, am Weihnachtsfeiertag, im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Weihnachten geht es ja um das Licht, das in die Welt gekommen ist. „Das Gute ist stärker als das Böse, Liebe ist stärker als Hass, Licht ist stärker als Dunkelheit, das Leben ist stärker als der Tod. Der Sieg ist unser, durch ihn der er uns liebt.“ Das ist das Vermächtnis eines klein gewachsenen, großen Mannes. Ich verneige mich vor einem großen, gewaltfreien Kämpfer für Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden, dem die Liebe zu allen Menschen stets das Wichtigste war.