Mahler meint am 14.04.2015
[display_podcast]
„Halt’s Maul, geh nach Hause und trink Deinen Rotwein“ – dieser Satz hat sich ebenso in mein Gedächtnis gebrannt wie das Konterfei von Günther Grass. Die Unvermeidliche Pfeife im Mund, der markante Schnauzbart, und der Blick über die Lesebrille, stets kritisch und unbestechlich. Ach so, der Satz mit dem Rotwein: den hat er zu Oscar Lafontaine gesagt, als dieser die SPD verließ.
Gestern Abend in der ARD: Die Blechtrommel, seine wohl am meisten beachtete Romanverfilmung. Günther Grass starb gestern in einem Lübecker Krankenhaus an den Folgen einer Infektion. „Der Seher“, wie ihn viele nannten, wurde 87 Jahre alt.
In Danzig – oder soll man sagen Gdansk – geboren und aufgewachsen – das allein beschreibt seine literarisch-politische Situation schon fast hinreichend. 1959 erscheint die Blechtrommel, der junge aufstrebende Autor will das moralisch zertrümmerte Nachkriegsdeutschland aufräumen. Und er bleibt der Mahner, der in seinem Roman „Der Butt“ mit der Männerherrschaft abrechnet, in „Die Rättin“ zeichnet er eine apokalyptische Zukunfts-Vision der Menschheit, „Mein Jahrhundert“ ist eine grandiose Draufsicht auf die Zeit zwischen dem ersten Weltkrieg und der Jahrtausendwende. Und dann schließlich outet er sich 2006 „Beim Häuten der Zwiebel“ als ehemaliges Mitglied der Waffen-SS. DER dunkle Fleck auf der weißen Weste des Moralisten. Kritiker stürzen sich auf ihn, werfen Günther Grass vor, sich viel zu spät mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt zu haben. Alle Mahnungen an das deutsche Volk würden damit entkräftet.
1999 hatte er den Nobelpreis für Literatur erhalten, das Bundesverdienstkreuz lehnte der streitbare Sozialdemokrat in den 1970iger Jahren ab.
Einer der ganz Großen ist gegangen. Einer, der keine Ruhe gab. Einer, der uns zwang, uns zu erinnern und aus der Geschichte zu lernen. Ach so, die Sache mit der Waffen-SS: Erstens war Grass damals 17 und zweitens greift hier mein Lieblingsspruch: „Die Sünden der Heiligen trösten uns mehr als ihre Tugenden.“ Verfasser? Nein, nicht Günther Grass. Sondern Unbekannt.
