Work-Life-Balance: Sinn oder Unsinn
Von der Seele reden
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de
In Zeiten von Burn-Out und neuen digitalen Ausbeutungsversuchen wird der Ruf nach einer Work-Life-Balance immer lauter. Was ist das eigentlich? Es handelt sich um den englischen Begriff für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beruflichen Anforderungen und privaten Bedürfnissen einer Person.
Kritiker des Work-Life-Balance-Konzeptes bemängeln, dass der Begriff Arbeit und Leben als Gegensätze darstellt. So wird unterstellt, dass die Arbeit eine notwendige (oftmals ungeliebte) Tätigkeit ist, die es auszugleichen gelte. Im Gegensatz dazu steht das erfüllende Private, das durch die Arbeit behindert werde. Für mich ist beides in der Tat kein Gegensatz. Ich habe alles, was ich in diesem Leben gemacht habe, gerne und mit Leidenschaft gemacht. Ich bin dankbar für jeden Tag, der mir geschenkt wird. Selbst negative Erfahrungen haben ihren Sinn, weil wir sonst überhaupt nicht einschätzen könnten, wie gut es uns ansonsten geht.
Sicher kann sich nicht Jede und Jeder aussuchen, was er oder sie beruflich machen. Vielen bleibt keine Wahl, sie müssen nehmen, was sich anbietet. In diesen Fällen kann ein Ausgleich wichtig sein. Aber eines bleibt: Vorsicht bei der Berufswahl. Wenn es möglich ist, genauer hinschauen, Praktika machen, um zu erfahren, was wirklich hinter einem Berufsbild steht. Und Ausgleich darf nicht zur Rechtfertigung von Faulheit oder schlechter Motivation verkommen.
Aber Vorsicht:
Der Gastronom, die Bäckerin, der Klempnermeister – sie alle klagen über den Nachwuchs, seine Qualifikationen, seine Arbeitsunlust, vor allem aber: sein Ausbleiben. Und nicht nur sie: Schulleiter klagen über die Halbtagslehrer, Unternehmensberater über das heilige Wochenende, Behördenchefs über den Krankenstand.
Die politischen Moralapostel stimmen gerade einmal wieder ihren Chor an: Die haben keinen Bock mehr, sagt der Arbeitgeberfunktionär Kampeter. Viele dieser, vor allem jungen Menschen, die schon im Einstellungsgespräch von Work-Life-Balance reden, wünschen sich einen sinnvollen Job. Einen Beruf eben. Gleichzeitig haben sie mehr als nur ein Gespür für die krisenhafte Welt, in der sie und ihre Kinder leben. Die Automatisierung untergräbt die Stabilität von Arbeitsverhältnissen, die Unausweichlichkeit des Klimawandels nährt den Zweifel an einem Wirtschaften, bei dem Kapitalproduktivität und Weltzerstörung zusammengehen, lese ich auf deutschlandfunk.de.
Viele gerade junge Menschen bleiben abwartend und distanziert, weil ihr Sinnbedürfnis ungestillt bleibt. Erst wenn wir die Null-Bock-Mentalität als rationale Reaktion auf ein irrationales Wirtschaften des Immer-Schneller und Immer-Mehr begreifen, ohne Rücksicht auf die Ressourcen der Natur, kann das Nachdenken über Abhilfen fruchtbar werden,
Ich wünsche Ihnen eine sinnerfüllte Woche, aber bitte bleiben Sie achtsam.